Hunold-Reime Sigrid by Schattenmorellen

Hunold-Reime Sigrid by Schattenmorellen

Autor:Schattenmorellen
Die sprache: deu
Format: mobi
veröffentlicht: 2012-11-23T23:00:00+00:00


Eine gute Entscheidung. Ich liege kaum unter der Decke, als Eva ins Zimmer zurückkommt. Hoffentlich bemerkt sie keine Veränderung. In der Hektik habe ich nicht darauf geachtet, ob ich das Buch wieder richtig hingelegt habe. Ich stelle mich schlafend und höre, wie sie in der Nachttischschublade kramt. Das macht mich nervös. Ich muss nachdenken. Am liebsten allein. Die Tür wird schon wieder geöffnet. Es ist Schwester Nadine.

»Frau Arndt, kommen Sie bitte mit. Dr. Zander will den Redon ziehen und danach müssten Sie gleich zum Röntgen.«

Gut. So habe ich Zeit, das Gelesene zu sortieren. Es klingt alles so verwirrend. Eva hat 1980 einen Brief geschrieben, den sie nie abgeschickt hat. Da war sie 20 Jahre alt. Sie muss sich verletzt haben. Schwer verletzt. Das könnte der Unfall gewesen sein, von dem sie gestern noch geträumt hat. Was war das für ein Unfall? An wen hat sie den Brief geschrieben? 1980 könnte sie noch mit Martin zusammen gewesen sein. Hat sie ihm geschrieben? Und die Geschichte mit der Taube, vermutete Eva, dass ihr jemand in Taubengestalt erscheinen könnte? Und warum sorgte man sich, dass Eva sich das Leben nehmen könnte? Sie muss völlig am Ende gewesen sein – und das in dem Alter. War es überhaupt ein Unfall?

Meine eigenen Erinnerungen schieben sich in den Vordergrund. Erinnerungen an einen Sommer, der mein ganzes Leben verändert hat. Nicht nur mein Leben. Auch Helenes ist anders als geplant verlaufen, und eines wurde ausgelöscht.

Ich konzentriere mich wieder auf Evas aktuelle Eintragungen. Sie muss diesem Christian schon einmal begegnet sein. Da schwang viel Verbitterung mit. Aber sie hat ihn nicht wiedererkannt. Wie kann man jemanden, der einem etwas angetan hat, etwas Schreckliches, wie es scheint, nicht wiedererkennen? Weil sie sein Gesicht nicht gesehen hat? Seine Stimme nicht gehört? Hat er sie überfallen? So brutal?

Es klopft schon wieder. Ich schrecke aus meinen Gedanken und starre auf die Tür. Sie wird geöffnet, und im Rahmen steht eine Frau. Ihr rot getöntes Haar glänzt wie ein Helm in der Nachmittagssonne und erinnert mich an jemanden. Ich kneife meine Augen zusammen, um sicher zu sein, dass es kein Trugbild ist. Aber vor mir steht wirklich Alberts Nichte Tomke.

»Wo kommst du denn her?«, frage ich statt einer Begrüßung. Tomke lacht unbekümmert: »Immer noch aus Horumersiel.«

Sie kommt mit schnellen Schritten an mein Bett und umarmt mich herzlich. Für einen Augenblick drückt sie mich fest an ihren weichen Busen, und ich atme den Duft ihres blumigen Parfüms ein. Ich gebe mich geschlagen. Etwas anderes ist bei Tomke auch zwecklos. Sie lässt von mir ab und zupft ihre Bluse zurecht. Die ist auf Taille geschneidert. Weißer Stoff mit schwarzen Punkten. An den Seiten verspielte Bänder, die zu Schleifen gebunden sind. Die Ärmel gepufft. Tomkes Kleidungsstil war schon immer sehr eigenwillig. Wie ihr Parfüm. Aber es passt zu ihr. Nur zu ihr. Ich kann sie mir nicht anders vorstellen.

»Woher weißt du, dass ich im Krankenhaus liege?«

»Von deinem Nachbarn, Herrn Knissel. Wir haben telefoniert.«

»Du telefonierst mit Rudolf?« Ich kann nicht verhindern, dass ich empört klinge.

Tomke lacht laut auf.



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